Für einen guten Start in den Kindergarten

Ist mein Kind bereit für den Kindergarten?

Wird dein Kind bald den Kindergarten besuchen? Und fragst du dich gerade, ob es dazu denn schon bereit ist? 

Ich habe mit Christina Buholzer gesprochen. Sie ist nicht nur ausgebildete Kindergärtnerin, sondern leitete auch mehrere  Kitas  und ist Prüfungsexpertin für Fachfrau/Fachmann Betreuung.

Wenn dir also jemand sagen kann, was für einen guten Übergang  in den Kindergarten wichtig ist, dann ist sie das! Es bleibt aber nicht bei der Theorie – du erhältst auch viele praktische Ideen für eine erfolgreiche Förderung.

Wann kann man sagen, dass ein Kind “kindergartenreif” ist?

Christina: Eigentlich sprechen wir gar nicht von “Kindergartenreife”, denn nur die Schulreife wird mit einem Test festgestellt. In den Kindergarten kommen die Kinder automatisch. Sie müssen also nicht irgendwelche Kriterien erfüllen.

Ein guter Start in den Kindergarten

Allerdings kennen wir die  Voraussetzungen sehr gut, die Kindern einen guten Start in den Kindergarten ermöglichen. Diese Voraussetzungen bilden sie in all den Jahren vor dem Kindergarten in einem steten Prozess. Dazu tragen ihre Erfahrungen mit Erwachsenen und Kindern in der Familie, in der Nachbarschaft, auf Spielplätzen, in KiTas usw. bei.

Welche Voraussetzungen sollte ein Kind für einen guten Start in den Kindergarten mitbringen?

Christina: Wir unterscheiden soziale, geistige und körperliche  Voraussetzungen. 

Diese Voraussetzungen verschaffen dem Kind das Selbstvertrauen, sich in der neuen Situation zurechtzufinden. 

soziale, geistige und emotionale Voraussetzungen für den Kindergarten

Welche sozialen Voraussetzungen sind für den Kindergarten wichtig?

Christina: Die sozialen Voraussetzungen sind tatsächlich sehr wichtig! Einerseits braucht es ein gewisses Selbstwertgefühl, d.h. es traut sich auch etwas zu. Es muss sich von seiner Bezugsperson trennen und in eine große, heterogene Gruppe einfügen können. 

Andererseits akzeptiert es auch die Regeln, die im Kindergarten gelten und nimmt Rücksicht auf die anderen Kinder.

die sozialen Voraussetzungen, die dein Kind für den Start im Kindergarten mitbringen sollte

Wie bereitet die KiTa die Kinder im sozialen Bereich auf den Kindergarten vor?

Christina: Dazu gibt es täglich viele Gelegenheiten. Die Kinder lernen in der KiTa Regeln, die in einer Gruppe notwendig sind. So lernen sie z.B. zu warten mit Erzählen, bis ein anderes Kind fertig gesprochen hat.

Wir legen Wert darauf, den Kindern einen Zugang zu ihren Gefühlen zu ermöglichen. Es soll also ein Gefühl bewusst wahrnehmen, Worte dafür zur Verfügung haben und lernen mit diesem Gefühl umzugehen.

Umgang mit Gefühlen

Wenn ein Kind wahrnehmen und sagen kann “Ich bin aufgeregt, traurig, wütend, glücklich…” ist das schon ein riesiger Schritt! Dieses Kind kann kommunizieren und muss nicht eine diffuse Wahrnehmung mit unangemessenem Verhalten – wie z.B Dreinschlagen – äußern.

Im KiTa Alter knüpfen die Kinder erste Freundschaften und lernen, zusammen mit anderen Kindern zu spielen und zusammen zu sein. Sie durchleben dabei nicht nur Phasen der Harmonie, sondern auch Störungen, Streit und Konflikte.

Wir haben das Vertrauen, dass die Kinder Konflikte selber lösen können und nehmen uns stark zurück.

Wir greifen eigentlich nur ein, wenn zwischen zwei Streitenden ein großes Altersgefälle besteht oder wenn ein Kind wirklich geschützt werden muss. 

Ein weiteres Thema sind Schnuller oder Kuscheltiere. Im Kindergarten sollten sie  nur noch für den Schlaf da sein. Hat sich ein Kind weh getan oder ist traurig, so ermuntern wir es, sich auch von anderen Kindern trösten zu lassen. 

Wie können die Eltern zuhause diese Voraussetzungen für den Kindergarten unterstützen?

Christina: Eltern begleiten ihre Kinder ja stetig im Ablöseprozess und ermuntern sie, selbständiger zu werden.

Aus meiner Sicht wären folgende Punkte ideal:

Die Kinder haben verschiedene Möglichkeiten, neue Kinder kennenzulernen, miteinander zu spielen, sich zu befreunden und zu streiten. Auch die Eltern greifen nicht immer sofort ein, sondern haben das Vertrauen, dass Kinder Auseinandersetzungen unter sich regeln lernen.

Das Kind hat viele Möglichkeiten, mit anderen Kindern zu spielen

Wenn das Kind nicht in einer kinderreichen Nachbarschaft aufwächst, wo sich diese Möglichkeiten von alleine ergeben, wäre es gut, wenn die Eltern ihm diese schaffen könnten, z.B.  mit einem regelmässigen Besuch auf Spielplätzen.

Das Kind kennt schon Regeln und befolgt sie, denn mit 4 Jahren kann es diese schon gut mittragen. Ich denke dabei an Regeln wie: 

  • vor dem Essen Hände waschen
  • die Schuhe ordentlich hinstellen
  • “danke” sagen
  • mit Essen warten, bis allen geschöpft ist

Es ist auch besser, wenige Regeln für das Familienzusammenleben einzuführen, diese aber mit konsequenter Liebenswürdigkeit durchzusetzen. In der Folge müssen Eltern auch akzeptieren, wenn ihr Kind ihnen gegenüber Regeln aufzeigt (z.B. bei geschlossener Kinderzimmertür nicht mehr einfach so reingehen).

Klare Regeln bei Schnuller und Kuscheltier. Das Ziel sollte sein, dass das Kind beim Kindergarteneintritt Schnuller und Kuscheltier höchstens noch zum Schlafen in der Nacht braucht.

Für Eltern ist es manchmal schwierig auszuhalten, dass dem Kind langweilig ist, oder dass es müde ist. Es braucht aber weder Ablenkung noch den Schnuller. Es darf einfach sein. 

Welches sind die geistigen Voraussetzungen für den Kindergarten?

Christina: Das sind alle Fähigkeiten, die es mitbringt um später auch den Schulunterricht mühelos zu starten:

die geistigen Voraussetzungen, die dein Kind zum Kindergarten-Start mitbringen sollte

Wie bereitet ihr die Kinder in der KiTa darauf vor?

Christina: Wir gehen wo immer möglich auf die Interessen des einzelnen Kindes ein und versuchen darauf aufzubauen. Wir versuchen so, ihm Lernerfolge zu verschaffen, seine Neugierde für noch mehr zu wecken und sich auch an größere Herausforderungen zu wagen. 

Wir lesen sehr oft Geschichten vor. Dabei konsumieren die Kinder aber nicht passiv, denn wir sprechen über die Geschichte, die Figuren, die Bilder, den möglichen weiteren Verlauf der Geschichte – kurz: Wir motivieren die Kinder zum selber Sprechen und Formulieren. Wir lassen sie die Rolle des Erzählers einnehmen.

Wenn ein Kind spielt, dann arbeitet und lernt es. Nicht immer findet es aus der Phase des Beginns den Übergang in einen selbstvergessenen Flow. Wir versuchen es hier zu unterstützen, denn diese Fähigkeit dranzubleiben ist auch die Fähigkeit sich zu konzentrieren. Mit einer Aufforderung wie Konzentriere dich besser! kann ein Kind natürlich noch nichts anfangen. Aber wir können ihm helfen, in die Konzentration zu finden.

Das Kind lernt bei einer Aufgabe zu verweilen

Wir müssen oft nur 1-2 Fragen stellen, und es findet den Faden wieder. Wenn ich z.B. merke, dass es ein Bauprojekt nach kurzer Zeit aufgeben will, frage ich  Was hast du denn hier alles gebaut? und beim Aufzählen merkt es, wie es weiterfahren wollte. 

Natürlich singen wir auch oft und sagen Verse auf. Das tun wir zur Unterstützung der Sprache, denn Melodie und Sprachrhythmus unterstützen dies und motivieren zusätzlich.

Lieder und Verse unterstützen die Bildung der phonologischen Bewusstheit

Man weiss heute, dass Lieder und Verse das sogenannte phonologische Bewusstsein (eine wichtige Voraussetzung für Lesen und Schreiben) massgeblich fördern.
In diesem Artikel findest du konkrete Ideen für eine spielerische Förderung des phonologischen Bewusstseins.

Und wie können Eltern hier mithelfen? Vielleicht ist es ja nicht so ihr Ding, mit den Kindern zu singen oder Verse aufzusagen…

Christina: Ja, das machen nicht alle Eltern gern! Sie brauchen aber auch gar nicht ein so großes Repertoire zu haben; einige Lieder und Verse reichen!
Wenn nichts mehr aus der eigenen Kindheit im Gedächtnis ist, dann findet man in diesem Archiv Verse in 22 Sprachen: 
https://www.vers-und-reim.net/#rymS und hier Lieder in 49 Sprachen: https://www.liederprojekt.org
Da ist bestimmt etwas dabei, das auch den Eltern Spaß macht 🙂 Das Kind an der Welt der Erwachsenen teilhaben lassen

Die Eltern können das Kind aber auf jeden Fall  an der Erwachsenenwelt teilhaben lassen. Das heisst, 

  • es beim Kochen, Putzen, Gärtnern, Auto waschen einbeziehen
  • sich auf sein Tempo und seine Fähigkeiten einlassen
  • weniger vorzeigen, dafür selber ausprobieren lassen
  • sich wieder einmal klar werden, dass “der Weg das Ziel ist”
  • motivieren, wenn es nicht gleich geht

Zu einer besseren Konzentration trägt eine reizarme Umgebung bei: also lieber weniger Möbel und Spielsachen im Kinderzimmer, eine freie Arbeitsfläche, Ordnung bei den Spielsachen. Und reizarm heisst auch: Radio und Fernsehen auch mal ausschalten, denn sie sind eine große Ablenkung im vertieften Spiel.

Hier noch 3 Extra-Tipps aus meinem KiTa-Alltag:

Lebhaften Kindern hilft es oft, wenn der Raum für das Spiel festgelegt wird. Zum Beispiel malen sie auf einem kleinen Tisch, der aber nur ihnen gehört, und sie haben beim Sitzen Bodenkontakt mit den Füßen. Oder sie spielen auf einer beschränkten Fläche Lego: das Spiel darf nicht über die Fläche hinausgehen.

Eltern können sich auch einmal ein Spiel vom Kind erklären lassen. Kinder lieben es, eigene Spielregeln aufzustellen! 

Das Kind erzählen lassen: Vielleicht helfen ihm das Fotoalbum oder einzelne Fotos beim Erzählen?

Und welche körperlichen Voraussetzungen sollte das Kind erfüllen, wenn es den Kindergarten startet?

Christina: Ich denke hier an eigentliche körperliche und auch an motorische Voraussetzungen. 

die körperlichen Voraussetzungen, die dein Kind für den Start in den Kindergarten mitbringen sollte

Wie können die körperlichen Voraussetzungen für den Kindergarten am besten gefördert werden?

Christina: In der KiTa sind wir schon früh ohne Kinderwagen auf dem Spaziergang. Auch hier gilt das Motto “Der Weg ist das Ziel”, denn oft sind es nur kurze Strecken, dafür kann das Kind selber gehen, und bei sicheren Abschnitten sogar nicht einmal an der Hand. Mit zunehmendem Alter lernen die Kinder in Zweierreihen auf dem Spaziergang unterwegs zu sein.

Auch die Eltern können schon früh auf den Kinderwagen verzichten. Ab 4 Jahren können sie das Kind an die wichtigsten Regeln im Straßenverkehr gewöhnen, wie links und rechts schauen am Zebrastreifen etc. – natürlich immer noch beobachtet von den Eltern.

selber essen und trinken oder sogar selber schöpfen

Kinder ab 2 Jahren können schon sehr gut aus einem kleinen Wasserglas trinken und selbständig essen. Ideal ist es, wenn sie das Essen selber schöpfen dürfen, denn sie lernen sehr schnell, welches die richtige Menge für sie ist. 

Für den selbständigen WC-Gang hilft es, wenn das Kind bequeme Kleider trägt, die es auch selbstständig aus- und anziehen kann. Enge Jeans sind da weniger geeignet.

Die motorische Entwicklung durchläuft jedes Kind problemlos in seinen ersten Lebensjahren, wenn es denn genug Gelegenheit hat sich intensiv zu bewegen. Spaziergänge in der freien Natur, Streifzüge durch den Wald und Besuche auf dem Spielplatz sind ein idealer Übungsraum. 

In der KiTa sind wir natürlich auch dazu gut ausgerüstet mit einem Bewegungsraum, in dem wir verschiedene Bewegungsparcours aufbauen, und in dem sich die Kinder auch austoben können.

Auch kleine Kinder sind kreativ im Gestaltungsraum

Wir haben auch einen Gestaltungsraum, wo die Kinder schneiden, kleben, kritzeln und malen. Sie lernen verschiedene Materialien kennen, experimentieren, staunen …

Diese großzügigen Platzverhältnisse sind zuhause natürlich nicht unbedingt gegeben. Aber die Eltern können den Kindern auch zuhause die Möglichkeiten für Bewegung schaffen: mit Ausflügen, Spaziergängen, Spielplatz-Besuchen oder Anregungen in der Wohnung.

Kind im Spiel

In diesem Artikel findest du für alle Wirbelwinde  Beschäftigungen mit Bewegung.

Hier findest super Möglichkeiten des Training fürs Gleichgewicht schon ab 4 Jahren. Und gleichzeitig verbessert sich die Konzentration – ist das nicht genial?!

Hast du zuhause schon Ballone und 1 oder 2 Schwimmnudeln? Hier findest du 10 Bewegungsspiele mit Ballon und Schwimmnudeln

Gibt es noch etwas, das wir bis jetzt nicht angesprochen haben?

Hmm, während dieses Interviews ging mir tatsächlich immer durch den Kopf, wie viel Neugierde, Begeisterungsfähigkeit und Lerneifer Kinder von sich aus mitbringen.

Mit diesen Eigenschaften bringt das Kind alles mit, was es fürs Lernen braucht!

Wenn wir diese Fähigkeiten mit ganz einfachen Angeboten in unserem Alltag kultivieren, dann ist das Kind optimal auf den Kindergarten, die Schule und das Leben vorbereitet. Alles, was es braucht, sind:

  • manchmal eine kleine Anregung (einfaches Alltagsmaterial)
  • sehr viele Gelegenheiten (unverplante Zeit)
  • freies Spiel (es darf sein Spiel und sein Vorgehen selber gestalten)
  • Möglichkeiten zum Ausprobieren (seine Beobachtungen, Erkenntnisse und neuen Anläufe sind wichtiger als ein vorzeigbares Resultat)

Was für ein schönes Schlusswort! 

Ich danke Christina für ihre wertvollen Informationen und Anregungen aus der Praxis! Mit ihr wünsche ich allen Kindern und ihren Eltern einen guten Start in den Kindergarten!

Christina Buholzer, Kindergärtnerin, KiTa Leiterin und Prüfungsexpertin für Fachfrau/Fachmann Betreuung

Christina Buholzer ist ausgebildete Kindergärtnerin und leitete mehrere Jahre Kitas im Raum Zürich.  

Sie ist ausgebildete Führungsperson, Ausbildnerin von Lernenden sowie Prüfungsexpertin für die praktischen und mündlichen Abschlussprüfungen für Fachfrau / Fachmann Betreuung.

 

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